In Problemen der Naturwissenschaften und der Technik, die auf Integrale führen, handelt es sich zwar oft um die Ermittelung des Integrals einer empirisch direkt gegebenen — nicht selten bereits graphisch dargestellten — Funktion zwischen bestimmten Grenzen, was sich bekanntlich mittels eines Planimeters ausführen lässt; es sind aber auch sehr häufig Integrale der Form
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auszuwerten, die man Stieltjesintegrale1) nennt. Dabei sind ƒ(t) und h(t) empirisch oder formelmässig gegebene Funktionen. Solche Integrale treten u.a. stets dann auf, wenn man über ein Intervall zu Integrieren hat, das ungleichmässig mit Masse, Druck, Helligkeit oder Elektrizität belegt ist2).
Es sei noch bemerkt, dass Integrale der Form
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die Gestalt (1) bekommen, wenn man g(t) = t oder, nach x aufgelöst, x = h(t) setzt.
Zur Erledigung der wichtigen Spezialaufgaben der Bestimmung statischer Momente oder Trägheitsmomente ebener Figuren, d.h. zur Auswertung der Integrale
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sind verschiedene, als Momentplanimeter, Potenzplanimeter u.s.w. bezeichnete Instrumente konstruiert worden und ebenso zur harmonischen Analyse gegebener periodischen Funktionen ƒ(x) mit beliebiger Periode g, d.h. zur Bestimmung der Koeffizienten der Entwicklung
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Für diese «Fourierkoeffizienten» gelten bekanntlich die Formeln
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(n = 0, 1, 2, ...) . |
In der Entwicklung einer beliebigen Funktion in eine Reihe nach Kugelfunktionen lassen sich die Koeffizienten ebenfalls durch Integrale der Form (1) auszudrücken (S. 11), zu deren Bestimmung aber bisher keine Instrumente vorhanden waren.
Der Wunsch, Integrale der Form (1) bei beliebiger Wahl der beiden Funktionen ƒ(t) und h(t) mit einem Apparat auszuwerten zu können, hat den Verfasser schon früher zu einigen Versuchen veranlasst.3) Kürzlich ist von ihm ein besonderes Instrument für diesen Zweck hergestellt worden, das sich jetzt in der Technischen Hochschule zu Helsingfors befindet und bereits erprobt ist.
Wir geben zunächst eine Beschreibung, dann einen Bericht über damit ausgeführte Integrationen und schliesslich weitere Ausführungen über das Instrument und seine Anwendungsmöglichkeiten.
Die Auswertung von Stieltjesintegralen nehmen wir in der Weise vor, dass wir eine ebene Figur bestimmen, deren Flächeninhalt den Wert (1) hat, und dass wir diesen Flächeninhalt messen. Dabei benutzen wir die auf je einem Papierblatt in rechtwinkligem Koordinatensystem gezeichneten Kurven
(5) | y = ƒ(t), x = h(t), |
durch welche das Integral (1) definiert werden kann. Die t-Achse der zweiten Figur bezeichnen wir mit t'.
Den Flächeninhalt einer beliebigen ebenen Figur findet man bekanntlich am bequemsten, wenn man mit dem Fahrstift eines Planimeters die volle Berandung im Uhrzeigersinn durchfährt und die Drehung der Integrierrolle des Planimeters abliest.
Da bei unserer Aufgabe zwei willkürliche Funktionen gegeben sind, hat man für die Bewegung des Fahrstifts F des zu gebrauchenden Planimeters zwei gleichzeitige Führungen nötig, die von zwei Personen bewerkstelligt werden müssen, indem sie mit einem Stift S, bzw. einer Fahrmarke M die vorhandenen Kurven (5) durchfahren (Fig. 1 und 2). Das eine Papierblatt (t, y) ist auf einem Reissbrett befestigt, das andere (t', x) am Apparat selbst.
Das »Stieltjesplanimeter» besteht aus dem bekannten harmonischen Analysator Mader-Ott (ohne Zahnräder)4), einem besonderen, vom Verf. konstruierten Zusatzgerät (Fig. 3) und einem Schutzgestell für das Planimeter. Ein gewöhnliches Polarplanimeter P (Fig. 1) wird auf einem festen Podium B aufgestellt, daneben legt man eine Laufschiene L. Der Schiene entlang rollt ein Wagen W und auf dem letzteren ein kleinerer Wagen V, ebenfalls in der Richtung der Schiene L.
In eine an der rechten Seite des Wagens W befindliche Pfanne wird ein Zapfen C eingesetzt, um welchen sich ein 90°-Winkelhebel A, A' dreht. Der Schenkel A trägt einen verstellbaren Stift S und eine Teilung, an der man die (mit einer bestimmten Einheit gemessene) Entfernung von S und C abliest. Der Stift S kann infolge der Drehung des Hebelarms A und der Bewegung des Wagens einer beliebigen, in einem (t,y)-Koordinatensystem gezeichneten Kurve ƒmit der Gleichung y = ƒ (t) entlang geführt werden.
Das diese Kurve ƒ tragende Papier ist mit Hilfe eines Einstellwinkels E so orientiert, dass die y-Achse der Laufschiene L parallel ist5).
Am Ende des anderen Hebelarms A' befindet sich ein zweiter Zapfen, der mittels einer sogenannten Kulissenführung den kleineren Wagen V auf dem grösseren verschiebt.
Alle bisher erwähnten Teile des Instruments gehören zum Analysator Mader-Ott, dagegen nicht die folgenden., die das »Zusatzgerät» bilden (vgl. Fig. 1-3). Am Wagen W wird ein Rahmen R befestigt und am Wagen V eine Klemmvorrichtung KK, mit deren Hilfe man ein Papierblatt so an V befestigen kann, dass es sich bei der Bewegung des kleineren Wagens V durch den Rahmen R in der y-Richtung, also parallel zur Laufschiene, verschiebt6).
Fig. 1. Das Stieltjesplanimeter.
Fig. 2. Das Stieltjesplanimeter in Anwendung.
Fig. 3. Das Zusatzgerät zum harmonischen Analysator Mader-Ott.
Während der Wagen W samt dem Rahmen R in der y-Richtung beweglich ist, kann auf dem Rahmen ein Schlitten D in der x-Richtung verschoben werden. In eine auf D befindliche kleine Vertiefung ist der Fahrstift F des Planimeters eingesenkt. Der Schlitten D, der übrigens durch ein Gegengewicht G belastet ist, hat einen Handgriff H und wird so verschoben, dass eine darauf befindliche Fahrmarke M, die durch ein »Visolettglas» zu beobachten ist, stets auf einer gezeichneten Kurve h mit der Gleichung x = h(t) liegt. Diese h-Kurve befindet sich auf dem beweglichen Papier in einem Koordinatensystem, dessen x-Achse rechtwinklig zur Laufschiene L, also auch zu der vorhin genannten y-Achse ist. Die t'- und t-Achsen sind ebenfalls senkrecht zueinander.
Es ist zweckmässig, die positiven Richtungen der Koordinatenachsen so zu wählen, wie in Fig. 1 angegeben ist; man erhält dann beim Umfahren der ƒ-Figur entgegen dem Uhrzeigersinn den Wert des Integrals (1) mit richtigem Vorzeichen.
Beim Befestigen der beiden Papiere auf dem Reissbrett bzw. in der Klemmvorrichtung KK hat man dafür zu sorgen, dass der Fahrstift S und die Fahrmarke M sich gleichzeitig auf zwei entsprechenden, d.h. zu demselben t-Wert gehörenden Punkten der Kurven y = ƒ(t), x = h(t) befinden, etwa im Mittelpunkt des Integrationsintervalls.
Vor einer Messung muss man sich davon überzeugen, dass die beiden Papiere die richtige Lage haben. Bewegt man entweder nur den Schlitten D beim Festhalten des Wagens W, oder nur den Fahrstift S ohne den Handgriff H anzufassen, so muss die Fahrmarke M je einer Koordinatenlinie t = Konst. oder x = Konst. des Achsensystems der h-Kurve folgen. Wird ferner der Fahrstift S in irgendwelche Lagen gebracht, die im Achsensystem (t, y) der ƒ-Figur die t-Koordinaten t1, t2, ... haben, so muss dabei die t-Koordinate der jeweiligen Lage der Fahrmarke M im (t, x)-System dieselben Werte t1, t2, ... annehmen. Diese Proben sind besonders leicht zu machen, wenn die Zeichnungen auf Millimeterpapier ausgeführt sind.
Wir gehen jetzt zur Betrachtung der Wirkungsweise des Instruments über.
Wird der Stift S in der y-Richtung um eine Strecke y verschoben, so bewegen sich der ganze Wagen W und damit auch die Punkte M und F um dieselbe Strecke in derselben Richtung, da hierbei keine Verschiebung der h-Kurve in bezug auf den Wagen W und daher keine Änderung der x-Koordinaten von M und F eintritt.
Wird dagegen der Wagen W festgehalten, aber der Winkelhebel A, A' gedreht, so beschreibt der Fahrstift S einen Kreisbogen und der Wagen V samt dem beweglichen, die h-Kurve tragenden Papier wird in bezug auf den Wagen W um eine Strecke dt' verschoben. Aus Fig. 4 erkennt man nun leicht mit Hilfe ähnlicher Dreiecke, dass die Verschiebung dt' proportional zur Änderung dt der t-Koordinate von S ist. Zwischen den t-Koordinaten der beiden Systeme besteht somit eine lineare Beziehung.
Fig. 4.
Das Verhältnis der Verschiebungen dt' : dt = k ist gleich dem Verhältnis der Hebelarme A' und A, insbesondere hat man k = 1, wenn der Stift S auf Strich 24 der auf A angebrachten Skala eingestellt ist. Die Zahl k muss gleich dem Verhältnis der Längeneinheiten der t'- und t-Achsen sein, dann befinden sich bei richtiger Orientierung der Papierblätter die Punkte M und S immer auf einander entsprechenden Stellen der ƒ- und h-Kurven (5). Ein durch die Wahl der Einheiten der Abszissen und der Ordinaten etwa bedingter konstanter Faktor ist natürlich bei der Ablesung des Resultats zu berücksichtigen.
Nachdem die beiden Papiere richtig befestigt sind, haben wir in der ruhenden Ebene ein festes Koordinatensystem (ξ, η), dessen Achsengeraden mit der festen t-Achse, bzw. mit der in sich selbst gleitenden t'-Achse zusammenfallen (Fig. 4).
Da die Marke M auf der h-Kurve gehalten wird und der Abstand FM konstant und stets parallel zur ξ-Achse ist, so ist die ξ-Koordinate des Planimeterfahrstifts F
(5)' | ξ = h(t) + C, |
wo C eine Konstante bedeutet. Die η-Koordinate von F erhalten wir, indem wir diejenige des Stiftes S, also ƒ(t), um den Abstand des Punktes S von der Geraden FM vermehren. Diesen Abstand bezeichnen wir mit v(a,t), da er sowohl von der Länge a der Strecke SC des Hebelarms A als von der jeweiligen t-Koordinate von S abhängt. Also ist die η-Koordinate von F
(5)'' | η = ƒ(t) + v(a,t). |
Wenn φ der Winkel zwischen dem Hebelarm A und der η-Achse ist, und t0 die t-Koordinate des Zapfens C im (t, y)-System, so haben wir übrigens t − t0 = a sin φ und somit
v(a,t) = a cos φ = √(a² − (t − t0)²). |
Der Planimeterfahrstift F hat also die Koordinaten (5)' und (5)". Wenn bei der Anwendung des Instruments der Stift S einen Bogen (t1, t2) der ƒ-Kurve, dessen Endordinaten und das dazwischenliegende Stück der t-Achse durchläuft, so umläuft auch F eine gewisse Figur der ruhenden Ebene. Diese ist von zwei Kurven und zwei Parallelen zur η-Achse begrenzt. Die eine dieser Kurven, deren (veränderliche) Ordinate η0 sein möge, entsteht, wenn S das Stück (t2, t1) der t-Achse durchläuft; in (5)" ist dabei ƒ(t) = 0. Für den Flächeninhalt der genannten Figur finden wir
∫ | (η - η0) dξ = | t2 ∫ t1 |
( ƒ(t) + v(a,t) − v(a,t))dh = | t2 ∫ t1 |
ƒ(t) h'(t) dt , |
also das Stieltjesintegral (1) und eben diesen Wert liest man nach beendetem Umlauf am Planimeter ab.
Wir geben noch eine differentialgeometrische Darstellung der Theorie unseres Instruments.
Da die Fahrmarke M stets auf der Kurve x = h(t) gehalten wird, entsteht durch eine Änderung der t-Koordinate von S um dt und der entsprechenden Verschiebung dt' des beweglichen Papiers in bezug auf den Rahmen R eine gewisse Änderung dx = d h(t) der ξ-Koordinate von M und auch von F.
Lässt man den Stift S den durch die achsenparallelen Verschiebungen y und dt bestimmten rechtwinkligen Flächenstreifen der ƒ-Figur umfahren, während die Fahrmarke M sich auf der h-Kurve bewegt, so umläuft der Punkt ƒ einen in der ruhenden Ebene gelegenen Flächenstreifen (Fig. 1, Ecke) der Länge y und der Breite dx, also von der Grösse y·dx. Die Form dieses Streifens ist aber im allgemeinen nicht rektangulär, weil die Verschiebung dt von S auch die Lage des Wagens W und damit die η-Koordinate von M und ƒ ändert.
Wenn der Stift S einen Bogen der Kurve y = ƒ(t), dessen Endordinaten und das dazwischenliegende Stück der t-Achse durchläuft, so wird ein gewisses Flächenstück der ruhenden Ebene vom Planimeterstift F umfahren. Die erste Figur kann man sich aus unendlich vielen rektangulären Streifen der Länge y und Breite dt zusammengesetzt denken, die zweite Figur besteht aus Streifen vom Flächeninhalt y(t) dx = y(t) d h (t) und die Grösse dieser Figur, die man nach vollständigem Umlauf am Planimeter abliest, wird eben durch das Stieltjesintegral (1) ausgedrückt.
1. Momente. Um das statische Moment, bzw. das Trägheitsmoment einer ebenen Figur zu finden, hat man nach (2) in (1) anzusetzen h'(t) = t, bzw. h'(t) = t², d.h. als h-Kurve ein für allemal eine gewöhnliche Parabel und eine kubische Parabel
(6) | x = ½ t², x = 1⁄3 t³ |
(Längeneinheit 1 dm) zu zeichnen und in dem Apparat zu benutzen. Es empfiehlt sich, auf demselben Blatt wie obige Kurven für gelegentlichen Gebrauch auch z. B. die Kurve y = 10⁄3 t³ zu zeichnen. Übrigens kann man von bekannten Formeln für Parallelverschiebung der Achse, in bezug auf welche das Moment ermittelt, wird, Gebrauch machen. Natürlich lassen sich auch höhere Momente messen.
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Flächen mit Löchern wird man vor dem Umfahren in einfach zusammenhängende verwandeln, indem man die Randkurven durch irgendwelche Schnitte verbindet (Fig. 5).
Eine Schwerpunktsbestimmung erfordert offenbar im allgemeinen die Bestimmung der statischen Momente in bezug auf zwei nichtparallele Achsen; man benutzt beidemal dieselbe h-Kurve, legt aber die zu untersuchende Figur in verschiedene Lagen.
Zur Prüfung des neuen Instruments wurden ein statisches Moment und ein Trägheitsmoment eines Schienenprofils 7) je zehnmal bestimmt8). Wir geben nachstehend zuerst die Anzahl (Z) der Messungen, ferner ihr arithmetisches Mittel samt dem in üblicher Weise berechneten mittleren Fehler des arithmetischen Mittels. Alle zuverlässigen Messungsergebnisse sind berücksichtigt. Das Resultat war
Statisches Moment | (Z = 10) | 350 ± 1 cm3, |
Trägheitsmoment | (Z = 10) | 377 ± 2 cm4. |
Die erhaltenen Werte gestatten eine Beurteilung der Genauigkeit des Instruments bei wiederholten Messungen. Die absoluten Abweichungen von den an der zitierten Stelle angegebenen Werten, nämlich 0,05 cm in der Ordinate des Schwerpunkts und 5 cm4 im Werte des Trägheitsmoments sind nicht grösser, als sie durch die Übertragung der Figur, bzw. die Verschiedenheit der Methoden entstanden sein können.
Es hat sieh übrigens als empfehlenswert erwiesen, bei wiederholten Messungen, die Berandung der Figur abwechselnd in verschiedenem Sinn zu. durchfahren und die gleiche Anzahl Messungen mit um 180° gedrehten Papierblättern vorzunehmen. Die im folgenden besprochenen Messungen sind z.T. in dieser Weise vorgenommen.
2. Fourierkoeffizienten (4) sind unmittelbar und bequem zu messen, falls die betreffenden Sinus- oder Kosinus-Schwingungen ein für allemal gezeichnet vorliegen. Da die Bewegung des Fahrarms A zwischen seinen äussersten Lagen eine Verschiebung des beweglichen Papiers um 2,4 dm bewirkt (eine Grundkonstante des Mader-Ottschen Analysators), hat man, wie leicht ersichtlich ist, die Kurven zu zeichnen 9)
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Offenbar kann man mit der einen Gruppe von Kurven auskommen, wenn man vor den einzelnen Koeffizientenbestimmungen das Papier gehörig verstellt; es ist natürlich am bequemsten, alle Kurven getrennt, aber auf möglichst wenigen Blättern zu haben. Man kann übrigens durch Verstellen des Fahrstifts S auf A die Anzahl der zu zeichnenden Kurven noch stark verringern (vgl. S. 17 f.). Hier sei nur erwähnt, dass der unten angegebene Koeffizient b57 mit Hilfe der Kosinuskurve für n = 30 ermittelt worden ist.
Als Kontrolle diente diejenige periodische Funktion welche im Intervall −1 < t < 1 mit der linearen Funktion y = ½ t übereinstimmt und für welche die Reihe gilt
ƒ(t) = sin π t − ½ sin 2πt + 1⁄3 sin 3πt − ...
Es wurde gemessen (Einheit der y-Achse 1 dm, Periodenlänge 2,4 dm):
(Z = | 8) | b8 | = | −0,127 ± 0,002 | (Exakter Wert | −0,125), | |
(Z = | 10) | b13 | = | 0,073 ± 0,001 | ( | 0,077), | |
(Z = | 10) | b24 | = | −0,046 ± 0,001 | ( | −0,042), | |
(Z = | 8) | b57 | = | 0,015 ± 0,001 | ( | 0,018). |
Wie aus den angeführten Zahlen hervorgeht, kann das Stieltjesplanimeter als harmonischer Analysator dienen und zwar für beliebige Periodenlänge p mit 2,5 < p < 36 cm und für Ordinaten −16 < y < + 16 cm.
3. Die Annäherung beliebiger Funktionen durch Kugelfunktionen Pn(x) 10) dürfte eine der wichtigsten Aufgaben des Stieltjesplanimeters sein. Bezeichnen wir mit (−1, + 1) das Intervall, in welchem die Annäherung gelten soll, so sind die Koeffizienten cn der betreffenden Entwicklung
(8) | ƒ(t) = c0 + c1P1(t) + c2P2(t) + ... |
durch die Formeln definiert
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Der erste Koeffizient c0 ist durch einfaches Planimetrieren zu finden. Die folgenden bringen wir in die Form (1) indem wir setzen hn'(t) − (2n + 1) Pn(t). Dann ist
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Werden Kurven x = hn(t) für n=1,2.... mit der Längeneinheit 1 dm gezeichnet, so kann man die (doppelten) Koeffizienten von (8) mit dem Stieltiesplanimeter ähnlich wie die Fourierkoeffizienten (4) bestimmen.
Infolge der Steilheit der Kurven (10) empfiehlt es sich, für grosse Werte von n (etwa n > 6), die Arbeitsweise etwas abzuändern: Die eine Person bewegt mit der rechten Hand den Handgriff H des Schlittens D samt der Lupe und der Fahrmarke M und drückt (oder zieht) nach Bedarf mit der linken Hand den Wagen W, während die andere Person den Fahrstift S so zwischen den Fingern gleiten lässt, dass er sich unbehindert der ƒ-Kurve entlang bewegen aber nicht davon entfernen kann. Dies ist zwar schwieriger als die gewöhnliche Handhabung des Apparats, gelingt jedoch bei einiger Übung befriedigend.
Als Beispiele wurden die folgenden Funktionen gewählt
(α) | { | y = 1 + t | für | −1 ≤ t ≤ 0, | (β) | { | y = | − ½ (1 + t ) | für | −1 < t < 0, |
y = 1 − t | » | 0 ≤ t < 1, | y = | ½ (1 − t ) | » | 0 < t < 1, |
Es wurde ermittelt (Längeeinheit der Zeichnung 1 dm):
(α) | (Z = | 8) | c4 | = | 0,186 ± 0,003 | ( | 0,182), | ||
[(Z = | 10) | c6 | = | −0,199 ± 0,002 | ( | −0,203), | ] | ||
(β) | (Z = | 8) | c31 | = | −0,134 ± 0,008 | ( | −0,142). |
Die zweite Zeile ist in Klammern gesetzt, weil die betreffenden Messungen zwar mit demselben Apparat, aber in einer Weise ausgeführt wurden, die etwas von der in 2 geschilderten abweicht (vertauschte ƒ- und h-Kurven); sie kann trotzdem als Illustration dienen.
Man dürfte sehr selten Glieder so hoher Ordnung wie n = 31 benötigen. Der Koeffizient c31 wurde hier gewählt, weil er der letzte ist, zu dem die Kurve (10) direkt mit Hilfe der Tallqvistschen Tafeln gezeichnet werden kann.
4. Kreisbogenordinaten. Eine Kurve sei etwa von einem Registrierapparat in einem Netz aufgetragen, dessen Koordinatenlinien kongruente Kreisbögen sind, welche eine Grundlinie, die u-Achse, rechtwinklig schneiden, sowie Parallelen zu dieser Achse (Fig. 6). Der Radius der Kreise sei r. Die Abszissen u werden längs der u-Achse, die Ordinaten längs der Kreisbögen von der Grundlinie aus gezählt und ihre Gradzahl möge mit v bezeichnet werden.
Fig. 6.
Der Mittelwert einer in diesem Netz dargestellten Funktion
v = v(u) ist offenbar nicht durch einfaches Planimetrieren zu finden. Zu seiner Ermittelung ist von der Firma Coradi in Zürich ein Spezialplanimeter konstruiert worden. Die Aufgabe ist aber leicht mit unserem Instrument zu erledigen.
Der Mittelwert der Funktion v = v(u) in einem Interval (u1,u2) von der Länge u2 − u1 = l ist gleich
M = | 1 l |
u2 ∫ u1 |
v du = | 1 l |
u2 | u1 |
v u3 − | 1 l |
u2 ∫ u1 |
u dv . |
wir setzen nun t = sin v = sin v(u) = g(u) und
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Somit lässt sich die Bestimmung von M auf ein Integral der Form (1) zurückführen: Es stellt t = g (u) oder u = ƒ(t) = y die feste Kurve dar, als bewegliche Kurve wird (11) benutzt, wo man k entsprechend der Grösse des in den Apparat zu setzenden Papiers zu wählen hat, etwa k = 0,02.
Beispiel: Für die in Fig. 6 (r = 1,2 dm) dargestellte lineare Funktion v = u wurde im Intervall (0 — 0,9) als Mittelwert gefunden
(Z = 8) | M = 44°,9 ± 0°,3 | (45°). |
Integrationen, wie die hier ausgeführte, bis zur äussersten Parallelen v = 90° kommen natürlich im allgemeinen nicht vor.
5. Planimetrieren einer Karte in Mercatorprojektion11).
Das Gradnetz dieser winkeltreuen Projektion wird bekanntlich durch die Formeln erhalten
(12) | y = R s · ψ, t = R s · log nat tg (45° + ½ j), |
wo R der Halbmesser der Erdkugel, s die Verkleinerung und φ, ψ die geographischen Koordinaten sind. Der Äquator dient als y-Achse.
Da das Verhältnis entsprechender Flächenstücke auf der Karte und auf der Erdkugel gleich s² ist, haben wir anzusetzen
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wo die Doppelintegrale über die betreffenden Gebiete zu erstrecken sind.
Die Grenze des zu messenden Gebietes der Karte lassen wir als feste Kurve y = ƒ(t) gelten.
Für die Kurve x = h(t) nehmen wir nun die Parameterdarstellung an
(14) | x = k1 R s · sin j, t = k2 R s · log nat tg(45° + ½ φ), |
wo k1 und k, passend zu wählende Konstanten sind (man kann z.B. setzen k1 · R s = 1,5, k2 · R s = 2,5).
Durchläuft der Fahrstift S den Rand der gegebenen Figur, so durchläuft der Stift F den einer anderen. Man kann demnach sagen, das Stieltjesplanimeter bewerkstelligt eine Kartentransformation und zwar verwandelt es die winkeltreue Mercatorkarte in eine flächentreue Abbildung, die es aber nicht anschaulich darstellt sondern nur planimetriert.
Nach dieser Methode wurden verschiedene Gebiete auf einer im Massstab 1 : 35 Millionen ausgeführten Weltkarte der Grösse nach verglichen. Die Richtigkeit der Karte als Mercatorprojektion war vorher kontrolliert.
Fig. 7.
In Fig. 7 sind zwei in sehr verschiedenen geographischen Breiten gelegene Gebiete (Abessinien und Finnland) sowie deren Transformierte angegeben, nachdem der Deutlichkeit wegen bei den letzteren »rechts» und »links» vertauscht wurde. Unser Instrument gibt die Flächeninhalte der transformierten Figuren an, wenn man mit dem Stift S die betreffenden Gebiete auf der Karte umfährt, es lässt u.a. erkennen, dass Abessinien, obgleich auf der Karte kleiner als Finnland, tatsächlich fast den dreifachen Flächeninhalt Finnlands besitzt.
Das Stieltjesplanimeter liefert den Wert des Integrals (1) nach Grösse und Vorzeichen, wenn man die Achsen so wählt wie in Fig. 1 und wenn man mit dem Fahrstift S die volle Berandung der ƒ-Figur entgegen dem Uhrzeigersinn durchfährt.
Das Verhältnis der Längeneinheiten der t-Achsen der ƒ- und h-Kurven (5) kann zwischen 0,1 und 1,5 liegen; sind sie gleich, so ist der Fahrstift S wie gesagt auf Strich 24 der am Hebelarm A angebrachten Skala einzustellen. Die ƒ-Figur kann dann die Grösse 32 × 24 cm haben.
Die Genauigkeit der Messungsergebnisse ist aus den Beispielen des §3 zu beurteilen, die ausgeführten Messungen sind als Durchschnitts-, nicht als Höchstleistungen anzusehen. Zum Vergleich sei erwähnt, dass der Mader-Ottsche Analysator Werte liefert, die bis auf etwa ±3 Noniuseinheiten am Planimeter unsicher sind12). Wenn man z.B. eine zu analysierende Funktion und die einzelnen Glieder der Fourierschen Entwicklung graphisch darstellt, betragen die Fehler der mit dem Analysator ermittelten Koeffizienten höchstens 3 Zehntelmillimeter. Da diese Messgenauigkeit als sehr gross gilt, dürfte diejenige des Stieltjesplanimeters als befriedigend bezeichnet werden können und für viele Anwendungen genügen.
Das neue Instrument lässt sich ohne Zweifel noch vervollkommnen, und die Genauigkeit etwas steigern, u. a. dadurch, dass man den »Schlitten» D auf Rollen beweglich macht.
da das Vorhandensein gewisser h-Kurven das Arbeitsgebiet des Stieltjesplanimeters wesentlich erweitert und fast je einem Spezialapparat gleichwertig ist, wird man die wichtigsten dieser Kurven als zum Instrument selbst gehörig betrachten. In der Tat werden ersetzt
die | Moment-, Potenz-, Wurzelplanimeter | durch | die | Kurven | (6), |
der | harmonische Analysator | » | » | » | (7), |
das | Spezialplanimeter für Kreisbogenordinaten | » | » | Kurve | (11). |
Ferner erhält man einen sozusagen »Sphärischen Analysator» durch Heranziehung der Kurven (10) und ein Planimeter für die Mercator projektion durch Heranziehung der Kurve (14).
Ob Schlitze als h-Kurven Verwendung finden können (und vielleicht dann die eine Führung ersetzen), ist bisher nicht untersucht worden. Dagegen ist die billige Herstellung von h-Kurven als Lichtpausen erprobt worden und hat sich als brauchbar erwiesen. In der Tat sind durchweg solche h-Kurven bei den Anwendungen 2-3 des §3 benutzt worden. Zeigt das Quadratnetz einer Kopie eine (gleichmässige) Dehnung13), so ist dieser Fehler korrigierbar und zwar ist eine in der t'-Richtung entstandene Veränderung durch Verstellen des Fahrstifts S, eine solche in der x-Richtung durch Subtraktion des prozentualen Dehnungsbetrags von dem am Planimeter abgelesenen Wert zu verbessern.
Ist der Messbereich in Breite oder Länge zu klein, so kann man sich oft in einer Weise helfen, die wir als »Teilen» oder »Knicken» der Kurven, bzw. »Falten des Papiers» bezeichnen, wobei man diese Ausdrücke bisweilen buchstäblich auffassen kann. Zur Erläuterung betrachten wir die schematischen Figuren 8a bis 8d.
Steigt die h-Kurve zu hoch, kann man sie teilen und in der x-Richtung verschieben (Fig. 8a). Man muss dann beim Durchfahren der ƒ-Kurve den Fahrstift S an den der erzeugten Unstetigkeit entsprechenden Stellen festhalten, solange die Fahrmarke M die Verschiebungsstrecke der h-Kurve durchläuft.
Fig. 8.
Auch kann man die h-Kurve knicken, d.h. von einer gewissen Stelle an spiegelbildlich fortsetzen (Fig. 8b). Beim Umfahren der ƒ-Figur, während die Fahrmarke M stets auf der h-Kurve gleitet, müssen dann die betreffenden Teile der ƒ-Figur, von deren Inneren betrachtet, in verschiedenem Sinn umfahren werden, wie in Fig. 8b angedeutet ist.
Wird eine zu grosse ƒ-Figur längs einer Parallelen zur t-Achse gefaltet (Fig. 8c), so müssen dagegen, wenn man die h-Kurve nicht ändert, die Teile der ƒ-Figur im gleichen Sinn umfahren werden. Gewisse Stücke der h-Kurve werden dabei mehrmals von der Marke M beschrieben.
Die ƒ-Figur kann auch längs einer Parallelen zur y-Achse gefaltet werden (Fig. 8d). Dann muss man natürlich die h-Figur ebenso behandeln, falls nicht etwa infolge einer Symmetrie (wie bei trigonometrisehen Linien) die betreffenden Kurventeile zusammenfallen und das Falten daher unnötig wird. Hierbei müssten die Teile der ƒ-Figur wieder in verschiedenem Sinn umfahren werden. Da aber das Durchfahren der »Falte» zweimal in verschiedener Richtung und beim Stillstehen der Fahrmarke M erfolgen müsste, kann es ganz unterbleiben.
Durch das Falten des Papiers lässt sich u.a. die Anzahl der zu benutzenden Sinus- bzw. Kosinuslinien (7) auf ein Minimum reduzieren und ebenso die Anzahl der zu benötigenden Zahnräder des Mader-Ottschen Analysators.
Wir betrachten allgemein die
Bestimmung der n:ten Fourierkoeffizienten an, bn mittels der Kurve (bzw. des Zahnrads) vom Index m (<n).Das Papier der zu analysierenden Kurve wird längs der mittleren Ordinate doppelt gefaltet und mittels des Einstellwinkels E so befestigt, als ob die Periode ½p statt p wäre. Der Zapfen C des Winkelhebels A, A' soll sich auf den zusammenfallenden Mittellinien der beiden Hälften des Periodenstreifens bewegen.
Die hierbei angewandte Einstellung des Fahrstifts S auf A sei vorläufig mit z bezeichnet. Der Intervallänge z entsprechen dann die m vollen Schwingungen der zu benutzenden h-Kurve (bzw. die m vollen Umdrehungen des eingesetzten Zahnrades auf der 24 cm langen Zahnstange des Mader-Ottschen Analysators). Der Intervallänge p der zu analysierenden Funktion sollen n Schwingungen entsprechen. Es gilt z : p = m : n und folglich muss die Einstellung des Fahrstifts z = p sein. Bei einer so augeführten Messung beträgt die Amplitude der Schwingung statt (vgl. (7)), demnach müssen die erhaltenen Werte mit multipliziert werden. Bei der Anwendung des Verfahrens braucht man natürlich die doppelt gelegte Abszissenachse der zu analysierenden Kurve nicht zu durchfahren, wenn die Ablesung am Planimeter sich dadurch nicht ändern würde.
Auf S. 10 ist bereits ein Beispiel angeführt, wo n = 57, m = 30 ist.
Gedruckt März 1936.